Freitag, 18. Dezember 2009

Der goldene Drache am Akademietheater

Was haben ein heulender kleiner Chinese, eine hungrige Grille und eine satte Ameise, ein alter Mann mit einem unerfüllten Wunsch, ein Liebespaar dem ein Malheur geschehen ist, ein betrunkener Mann und seine fremdgegangene Frau und zwei fesche Stewardessen gemeinsam? Roland Schimmelpfennig verrät uns das erst langsam, er genießt unsere quälende Spannung und den unbefriedigten Drang in uns, alles zu überschauen. Er läßt uns zunächst nichts überschauen.

Das Stück Der goldene Drache im Akademietheater verweigert sich allem Kulinarischen und jeder Zurückgelehntheit, nein, du musst dich vorlehnen, du kommst nicht so billig davon. Ich habe Zeugen dafür: Michaela konnte auch nicht schlafen!

Dafür wird viel geschauspielt. Jeder spielt mehrere Rollen, Frau wird zu Mann, Jung zu Alt und umgekehrt. Besonders Christiane von Poelnitz und Johann Adam Oest, die können das wirklich gut. Die Akteure müssen zugleich spielen und nicht spielen, also wie soll ich das erklären. Aber was - schaut's es euch selber an. Dringend.

Montag, 30. November 2009

Garry Unsworth: Die Masken der Wahrheit

Das vierzehnte Jahrhundert, in der dieser Roman Barry Unsworth handelt, finstert uns an: Bis zur Hälfte aller Menschen sterben an der Pest, daraus folgende Nahrungsmittelknappheit, daraus folgende Not auch unter den Herren, die wiederum mehr aus den Bauern rauspressen wollten, gleichzeitig Geprunke und Gepränge bei Hof und in der Ritterschaft, himmelschreiende Ungleichheit. In England, wo unsere Geschichte spielt, Aufstände gegen die Obrigkeit. Kein gutes Jahrhundert für fahrende Schauspieler und entlaufene Priester, die sich ständig ums nackte Überleben kümmern müssen.

Die Unordnung, der Aufstand, die Veränderung erfasst auch die Schauspielertruppe um die es in diesem Buch geht. Von einem Tag auf den andern befassen sie sich nicht länger mit frommen Mysterien- und Passionsspielen, sondern spielen einen realen Krimi, eine Mordgeschichte die sich gewaschen hat. Die Absicht, Leute damit anzulocken, geht auf: In Scharen strömen die Bewohner der Stadt herbei, um die Geschichte vom Tod des Thomas Welsh zu sehen, eines Jungen, der erst vor zwei Tagen in dieser Stadt beerdigt wurde. Der Krimi ist real, ein Richter des Königs ist auch gerade eingetroffen, und auch er verfolgt das Stück in aller Heimlichkeit.

Das Folgende muss man sich vorstellen wie einen Vorläufer von Kriminalschauspiel, Aktenzeichen XY ungelöst oder Richterin Barbara Salesch: Der Fall wird abgerollt, wie ihn die Schauspieler sich eben denken. Sie spielen der Mord, den angeblichen Täter, die Nebenpersonen durch - und zu einem unerwarteten Ergebnis! Das klingt hier alles ganz undramatisch, aber mir haben die Ohren geglüht: Seltsame Details treten hervor, eigenartige Zeugen tauchen auf, und bald kommen ganz andere Täter zum Vorschein als Anfangs gedacht ...

Aber es ist noch mehr daran als bloß ein Krimi. Unsworth flüstert uns etwas vom Geheimnis des Schauspielens, warum am Ende mehr herauskommt als bloßes Nachspielen. Das erinnert an Psychodrama, Organisationsaufstellung. Inmitten des Stückes verändern sich Schauspieler und Publikum. Am Ende ist vor allem der Icherzähle ein ganz anderer geworden, ein Schauspieler mit Leib und Seele. Raffiniert!

Sonntag, 22. November 2009

John Updike: "Terrorist"

Von Ahmed, dem 18-Jährigen Amerikaner, der zum Terroristen wurde, berichtet uns John Updike in seinem 2006 erschienenen Roman. Aber keinen schwitzigen, faustschüttelnden, schießfreudigen Gotteskrieger zeigt er uns. Sein Terrorist ist ein kluger junger Mann, dem das Leben einige Prügel vor die Füße geworfen hat: Der Vater früh verschwunden, der Lebensort trist und heruntergewirtschaftet, die Schule voller Radautypen, deren Cliquen sich ständig bekämpfen.

Weil er einen Vater aus Fleisch und Blut nie gehabt hat, ist Ahmed in seiner Klugheit anfällig für großartige Ideale: Er ist ein Musterschüler seines Koranlehrers. Er nimmt den Koran ernst. Er nimmt Allah ernst, dem er sich ganz nahe fühlt. Sein Glaube entfernt ihn ganz aus der Welt: wirkliche Typen die es gut meinen, wie Jack Levy, der Schüler-Vertrauensmann, sind ihm zu schwach, zu gebrochen, überhaupt nicht genügend.

Na und, denkt man sich, das gibt sich doch. Er wird erwachsen werden. Aber da beginnen jene, dies es nicht gut meinen, ihn zu lenken: Der Scheich aus der Koranschule, dann ein so genannter Freund, dann die Vereinigung der Dschihadisten. Sie benutzen Ahmed, und am Ende sitzt er in einem Lastwagen voller Sprengstoff.

Gnadenlos wie immer zeigt uns John Updike die Lächerlichkeit amerikanischer Fernsehkultur mit ihren Sitcoms, Castingshows und der immer präsenten penetranten Produktwerbung. Er zeigt uns aber auch den schönen Ernst eines islamischen Gottesbildes, das sich streng abhebt von dem Milheu der swingenden und singenden schwarzen Gospelgottesdienste. Und er zeigt uns glaubwürdig, wie das Unglaubliche geschehen kann: Dass aus einem intelligenten jungen Menschen, dem viele Chancen einer westlichen Gesellschaft offen stehen, ein Selbstmordattentäter wird.

Sonntag, 15. November 2009

Plastic Planet

Vorige Woche habe ich den Film Plastic Planet g'sehn. Ich habs ehrlich gesagt nicht so recht glaubt, dass alles das Plastikzeugs - Johurtbechern Petflaschen Folien Babyschnullern – eine Giftküche sein soll. Was soll schon dran sein, denkt man sich. Immer diese Krankjammerei, denkt man sich. Der verdient an seinen eigenen Schlechtnachrichten, denkt man sich. Die zuständige Behörde aller Europäer (EFSA) sieht schließlich kein Risiko, denkt man sich und ist beruhigt.

Aber dann lese ich im Internet „Kaufland und Schlecke nehmen Bisphenol-A-belastete Babyschnuller aus ihren Regalen. Hersteller von NUK-, Babylove- und Baby-Nova-Schnullern kündigen Umstellung der Produktion an“. Die gleiche Nachricht für Österreich in der Kleinen Zeitung. Nur ein paar Tage alt.

Hm? Was läuft hier? Ungefährliche Babyschnuller – warum werden die dann eingezogen? Ersetzt? Ausgelistet? Sollte es doch stimmen … aber nein … andererseits ….

Aber wißt's was? Schaut's euch den Film einfach selber an!

Sonntag, 11. Oktober 2009

Und wieder arbeitet der IWF

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat wieder gearbeitet. Diese bei allen Entwicklungsländern unbeliebte Einrichtung vergibt Kredite im großen Stil an Staaten. So zuletzt eben auch an Ungarn, die Ukraine, Lettland.

Aber wie tun sie das? Sie zwingen die Staaten zum sparen. Hinter all dem stecken die großen 5 Staaten USA, Deutschland, Frankreich, Großbritannien und China. Das was mich immer dabei ärgert: Während der IWF die Kleinen zum Sparen zwingt, genehmigen sich die "Geberländer" großzügige Budget-Defizite um ihre Banken und überhaupt die ganze Wirtschaft zu retten.

Predigen Wasser und trinken Wein. Die Wirtschaft der Kleinen wird dabei abgedreht, das ist das Gemeine daran, das Sparmeisterliche, das Geizhalsige der Großen.

Artikel dazu im 'Standard'

Mittwoch, 23. September 2009

Ende gut, alles gut am Akademietheater

Dieses Stück habe ich gestern mit Evi im Akademietheater gesehen. Dass uns das Haus und die Lage gefällt, haben wir von vornherein gewusst. Das Stück war uns nicht bekannt, die Schauspieler und der Regisseur auch nicht (selber Schuld).

Aber dann die Überraschung: He, das ist ja eine Quirlkomödie erster Klasse! Dabei ist die Handlung schnell erzählt: Die willensstarke Helena (Mareike Sedl) will den Grafen Bertram (Gerit Jansen) unbedingt haben, aber der will nichts von ihr wissen, rein gar nichts. Und so trickst sie ihn eben aus, nach vielen Intrigen und sogar einem untergeschobenen Liebesakt hat sie ihn am Ende doch.

Aber Leute, die witzigen und vertrackten Dialoge (Achtung Shakespearsprache)! Die Lust an der Verkleidung! Das respektlose Hantieren mit Requisiten! Als Witwe, ruchlose Barsängerin, und keusch-kokettette Jungdame ist Maria Happel, der Star der Aufführung, zu sehen, und sie ist wirklich umwerfend. Als Prahlhans und Esel hat uns Dietmar König überzeugt, und Daniel Jesch ist als jähzorniger König ist echt gut disponiert. Nicht zu vergessen Gerin Jansen als Bertram, das Gräflein, das zuerst nicht will und dann doch halb muss halb will.

Und nicht zuletzt die Musik: sie ist eine Perle im Stück, einige eigens komponierte Chansons werden von den Schauspielern gleich selbst interpretiert.

Vieles an dem Stück hat uns oft zu unkontrolliertem Lachen gereizt - und so soll es auch sein!

Dienstag, 23. Juni 2009

Cross Border-Leasing im Burgenland


Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Da hat die BEWAG, zuständig für die Energieversorgung der Burgenländer, im Jahre 2001 ihre Stromleitungen an amerikanische Unternehmer verkauft. So schlau waren damals viele Kommunen, die auf Cross Border-Leasing abgefahren sind. Der Witz dabei: durch einen besonders schlauen Vertrag, bei dem die BEWAG die Stromkabel und -masten gleich wieder zurückleast, haben die amerikanischen Unternehmer (sehr viel) und die BEWAG auch (ein wenig) Geld aus Steuervorteilen lukriert.

Nun gehört das Zeug also den Amerikanern. Der Leasingvertrag aber ist so schlau gemacht, dass die Leitungen über der pannonischen Ebene gegen alles Mögliche versichert sind, damit sich ihr Wert im Laufe der langen Jahre nicht etwa vermindert. Aber noch schlauer: Wenn diese Versicherung einmal in den Verdacht kommt, nicht ganz zahlungsfähig zu sein (d.h. wenn sich ihr Rating vermindert), muss die BEWAG Sicherheiten nachschießen.

Genau das ist passiert - wie so viele Versicherungen wird auch der BEWAG-Partner im Rating abgestuft, und die BEWAG muss nun Sicherheiten nachschießen - in Form einer Anleihe über 150 Millionen Euro, die der burgenländische Stromkunde zu finanzieren hat.

Wer ist da wohl schlau, wer überschlau? Und wer der Dumme?

http://www.bvz.at/redaktion/bvzg-markt/article.asp?Text=300652&cat=821
http://www.cismo.at/service/news/3484961288/

Samstag, 20. Juni 2009

Rachel's Hochzeit

Diesen wirklich guten Film haben wir heute Abend gesehen. (Gottseidank gibts das Zentralkino noch, ich wüßte nicht was wir ohne dieses machen würden.) Die herrliche Anne Hathaway (ja, genau, die mit den großen Augen) spielt ein ziemlich durchgeknalltes boshaftes, aber symphatisches Mädel auf Entzug von so ziemlich allen Drogen, die sie sich früher in Massen eingeworfen hat.

Was einfach schön an diesem Film ist: Er kommt schlicht daher, ohne überzeichnete Effekte, es ist ein Gesprächsfilm, aber trotzdem echt dramatisch, ich habe den Wunsch gehabt er möge nicht aufhören.

Wer also ein Hochzeits-Wochenende miterleben will, das ziemlich harmonisch anfängt und wo dann nach und nach alle aufgestauten Familientragödien hervorpurzeln, beziehungsweise von Kim, der Schreckschraube, herausgekitzelt werden aus dem harmonischen Heuhaufen, dem kann ich nur empfehlen: Schau'n sie sich das an!

Der internationale Währungsfonds ist zurück

In der aktuellen Wirtschaftskrise taucht der IWF immer wieder in den Schlagzeilen als Institution auf die helfen soll und die auch Prognosen für die Weltwirtschaft abgibt.

Der internationale Währungsfonds (IWF) hat einen schlechten Ruf zu verteidigen. Dieser Hilfsfonds für Länder mit angeschlagenen Finanzen hat etwa in der Südostasienkrise eine denkbar umstrittene Rolle gespielt. Aber hinter dem IWF stecken die Länder die ihn finanzieren, und die verantworten auch das Vorgehen: Viele Länder wurden IWF-Kredite nur gewährt, wenn sie eine Politik der stabilen Währung verfolgt haben, mit eiserner Disziplin im Staatshaushalt und hohen Zinsen.

Und was passiert jetzt, in der aktuellen Wirtschaftskrise, was tun die Länder die den IWF beherrschen, die Industrienationen? Sie geben Geld des Staates aus, sie senken die Zinsen. Wem es noch nicht aufgefallen ist: Hier passiert das Gegenteil der früheren IWF-Politik. Wenn es um die eigene Haut geht, haben die IWF-Herren plötzlich ganz andere Rezepte.

Nicht fair, meine Herren!

Freitag, 19. Juni 2009

Und die Pharmafirmen

Die haben bereits reagiert, wie Der Standard heute berichtet. In der Wortmeldung ihres "Sekretärs" haben sie deutliche Worte für den Versuch gefunden, ihre Zuwendungen an die Ärzte und Apotheken einzuschänken. Mit Nordkorea vergleichen sie einen Staat der sie so unfair behandeln will.

Es ist ja aber auch irgendwie mit der Kirche ums Kreuz gedacht, wenn man die, die Geschenke annehmen (Ärzte, Apotheker) ungeschoren läßt und dafür die Schenker verpflichtet alles Geschenkte zu veröffentlichen. Zu Recht sagt da der Experte, dass da nichts Gescheites rauskommen wird. Das ist halt das Ergebnis von Verhandlungen, bei denen eine Krähe (die Sozialversicherungen) der anderen (den Ärzten) kein Auge aushacken will. Gut österreichisch, halt.

Donnerstag, 18. Juni 2009

Die Ärzte und die Sozialversicherung

herDie beiden haben sich anscheinend geeinigt (Der Standard berichtet), und zwar auf eine Bevorzugung von Generika durch niedrigere Rezeptgebühren für diese. Die Patienten sollen also schauen dass der Herr Doktor nur billige Rezepte verschreibt. Auch die Pharmafirmen bekommen ihren Teil ab: Sie sollen nicht mehr so viel Budget für Werbung verschwenden, und als Maßnahme dafür ist folgendes vorgesehen: Bei jeder Werbung für ein Medikament muss der Preis desselben angegeben werden.

Hm. Eigenartig irgendwie, nicht?

Sie tun sich gegenseitig nicht weh, die Herrschaften. War da nicht einmal die Rede von den Aufwändungen der Pharma-Industrie für Ärztekongresse mit Holidaycharakter für die ganze Familie? Ärztemuster? Wie siehts mit der Zusammenlegung der Krankenversicherungsträger aus? Aber das sind natürlich keine Themen. Das kommt eben heraus, wenn sich die Politik nicht einzumischen getraut.

Gestaltet, ihr Gesundheitspolitiker! Mischts euch ein!