Montag, 30. November 2009

Garry Unsworth: Die Masken der Wahrheit

Das vierzehnte Jahrhundert, in der dieser Roman Barry Unsworth handelt, finstert uns an: Bis zur Hälfte aller Menschen sterben an der Pest, daraus folgende Nahrungsmittelknappheit, daraus folgende Not auch unter den Herren, die wiederum mehr aus den Bauern rauspressen wollten, gleichzeitig Geprunke und Gepränge bei Hof und in der Ritterschaft, himmelschreiende Ungleichheit. In England, wo unsere Geschichte spielt, Aufstände gegen die Obrigkeit. Kein gutes Jahrhundert für fahrende Schauspieler und entlaufene Priester, die sich ständig ums nackte Überleben kümmern müssen.

Die Unordnung, der Aufstand, die Veränderung erfasst auch die Schauspielertruppe um die es in diesem Buch geht. Von einem Tag auf den andern befassen sie sich nicht länger mit frommen Mysterien- und Passionsspielen, sondern spielen einen realen Krimi, eine Mordgeschichte die sich gewaschen hat. Die Absicht, Leute damit anzulocken, geht auf: In Scharen strömen die Bewohner der Stadt herbei, um die Geschichte vom Tod des Thomas Welsh zu sehen, eines Jungen, der erst vor zwei Tagen in dieser Stadt beerdigt wurde. Der Krimi ist real, ein Richter des Königs ist auch gerade eingetroffen, und auch er verfolgt das Stück in aller Heimlichkeit.

Das Folgende muss man sich vorstellen wie einen Vorläufer von Kriminalschauspiel, Aktenzeichen XY ungelöst oder Richterin Barbara Salesch: Der Fall wird abgerollt, wie ihn die Schauspieler sich eben denken. Sie spielen der Mord, den angeblichen Täter, die Nebenpersonen durch - und zu einem unerwarteten Ergebnis! Das klingt hier alles ganz undramatisch, aber mir haben die Ohren geglüht: Seltsame Details treten hervor, eigenartige Zeugen tauchen auf, und bald kommen ganz andere Täter zum Vorschein als Anfangs gedacht ...

Aber es ist noch mehr daran als bloß ein Krimi. Unsworth flüstert uns etwas vom Geheimnis des Schauspielens, warum am Ende mehr herauskommt als bloßes Nachspielen. Das erinnert an Psychodrama, Organisationsaufstellung. Inmitten des Stückes verändern sich Schauspieler und Publikum. Am Ende ist vor allem der Icherzähle ein ganz anderer geworden, ein Schauspieler mit Leib und Seele. Raffiniert!

Sonntag, 22. November 2009

John Updike: "Terrorist"

Von Ahmed, dem 18-Jährigen Amerikaner, der zum Terroristen wurde, berichtet uns John Updike in seinem 2006 erschienenen Roman. Aber keinen schwitzigen, faustschüttelnden, schießfreudigen Gotteskrieger zeigt er uns. Sein Terrorist ist ein kluger junger Mann, dem das Leben einige Prügel vor die Füße geworfen hat: Der Vater früh verschwunden, der Lebensort trist und heruntergewirtschaftet, die Schule voller Radautypen, deren Cliquen sich ständig bekämpfen.

Weil er einen Vater aus Fleisch und Blut nie gehabt hat, ist Ahmed in seiner Klugheit anfällig für großartige Ideale: Er ist ein Musterschüler seines Koranlehrers. Er nimmt den Koran ernst. Er nimmt Allah ernst, dem er sich ganz nahe fühlt. Sein Glaube entfernt ihn ganz aus der Welt: wirkliche Typen die es gut meinen, wie Jack Levy, der Schüler-Vertrauensmann, sind ihm zu schwach, zu gebrochen, überhaupt nicht genügend.

Na und, denkt man sich, das gibt sich doch. Er wird erwachsen werden. Aber da beginnen jene, dies es nicht gut meinen, ihn zu lenken: Der Scheich aus der Koranschule, dann ein so genannter Freund, dann die Vereinigung der Dschihadisten. Sie benutzen Ahmed, und am Ende sitzt er in einem Lastwagen voller Sprengstoff.

Gnadenlos wie immer zeigt uns John Updike die Lächerlichkeit amerikanischer Fernsehkultur mit ihren Sitcoms, Castingshows und der immer präsenten penetranten Produktwerbung. Er zeigt uns aber auch den schönen Ernst eines islamischen Gottesbildes, das sich streng abhebt von dem Milheu der swingenden und singenden schwarzen Gospelgottesdienste. Und er zeigt uns glaubwürdig, wie das Unglaubliche geschehen kann: Dass aus einem intelligenten jungen Menschen, dem viele Chancen einer westlichen Gesellschaft offen stehen, ein Selbstmordattentäter wird.

Sonntag, 15. November 2009

Plastic Planet

Vorige Woche habe ich den Film Plastic Planet g'sehn. Ich habs ehrlich gesagt nicht so recht glaubt, dass alles das Plastikzeugs - Johurtbechern Petflaschen Folien Babyschnullern – eine Giftküche sein soll. Was soll schon dran sein, denkt man sich. Immer diese Krankjammerei, denkt man sich. Der verdient an seinen eigenen Schlechtnachrichten, denkt man sich. Die zuständige Behörde aller Europäer (EFSA) sieht schließlich kein Risiko, denkt man sich und ist beruhigt.

Aber dann lese ich im Internet „Kaufland und Schlecke nehmen Bisphenol-A-belastete Babyschnuller aus ihren Regalen. Hersteller von NUK-, Babylove- und Baby-Nova-Schnullern kündigen Umstellung der Produktion an“. Die gleiche Nachricht für Österreich in der Kleinen Zeitung. Nur ein paar Tage alt.

Hm? Was läuft hier? Ungefährliche Babyschnuller – warum werden die dann eingezogen? Ersetzt? Ausgelistet? Sollte es doch stimmen … aber nein … andererseits ….

Aber wißt's was? Schaut's euch den Film einfach selber an!